ein Theaterabend in zwei Teilen

Vor 20 Jahren wurde in einem Rüsselsheimer Eiscafé die RAF-Terroristin Eva Haule verhaftet. Vor 25 Jahren wurde das Hüttendorf im Startbahnwald geräumt. Vor 30 Jahren versank die Republik im Herbst. Vor 35 Jahren zum Beispiel standen ein ehemaliger Außenminister und ein ehemaliger Topkabarettist am Fließband der Firma Opel und montierten linksradikale Autos.

 

 

Kinder Der Revolution.

Vor 40 Jahren starb Benno Ohnesorg. Und heute, was ist heute? Martin Walser hat in einem seiner Tagebücher geschrieben: Wenn es Antworten gäbe, gäbe es keine Fragen mehr. Vielleicht gibt es deshalb das Theater. Fragen wir das Theater: Wird es die Revolution geben? Sagt das Theater: Mal sehen. Eine Antwort muss sich (siehe Walser) jeder selbst ausdenken.

Der erste Teil von „Kinder der Revolution” findet in der Rathaus Rotunde statt. Terror gestern, heute und morgen sind Gegenstand des Szenariums, Umfragen, Livezuschaltungen, Filmeinspielungen und musikalische Beiträge runden das semidokumentarische Spektakel ab. Auch hier wieder werden Fragen gestellt: Haben Sie Angst? Hatten Sie schon immer Angst und explizit vor Terroristen? Wer und was ist das überhaupt? Was kann Mensch dagegen tun? Und was hat er früher dagegen getan? Was treiben und was treibt die Kinder der Revolution? Wie politisch ist die Gesellschaft heute, im Vergleich zu früher, vor 20, 25, 30 Jahren? Wer erinnert sich noch an die Startbahn West? Wer war schon einmal Glied einer Menschenkette? Wofür ist die Gesellschaft, sind die Menschen, zu kämpfen bereit? Sollen Ex-Terroristen aus dem Gefängnissen entlassen werden? Und wenn ja, wohin? Muss denn sogar der Widerstand von oben geregelt werden? Und, wenn ja, ist dafür die Kunst zuständig?

 

Im zweiten Teil der Veranstaltung, dann in der Werkhalle A1 auf dem Opel Gelände wird Martin McDonaghs Groteske „Der Leutnant von Inishmore” gezeigt, eine psychologische Studie über den Irrwitz der Gewalt, über seinen Selbstzweck und über seine Automatismen. In einer Inszenierung, die das zuvor Erlebte und Gesehene ergänzt oder kontrastiert, je nach Blickwinkel. „Der Leutnant von Inishmore” heißt das Stück, das eine Geschichte über das Scheitern ist. Vom Scheitern der Revolution. Vom Scheitern aus Blödheit und Ignoranz.

Es hat den gleichen Liebreiz wie der Ort, an dem es spielt, und wie die Menschen, die es spielen. Es hat eine Notwendigkeit, wie die Zusammenkunft eben dieser Menschen notwendigerweise kein Zufall ist. Vielleicht, das könnte sein, geht von dieser Begegnung ein Widerstand aus. Ein kleines bisschen. Und dann geht das wieder los, mit den Fragen. Warum das alles so ist und nicht anders? Es hätte doch auch alles anders sein können.